Keine Angst vor Narkose

Das sollten Sie wissen:

Operationen und manche Untersuchungen sind nur unter Narkose möglich. Damit es dem Hund davor, währenddessen und danach gut geht, müssen Tierarzt und Halter einiges beachten. Was das ist und wie Sie erkennen, ob die Praxis Ihres Vertrauens gutes Narkosemanagement betreibt, erklären die Tierärztinnen Dr. Marion Link und Dr. Ilka Jopp.

Narkosen in der Tiermedizin sind inzwischen genauso an der Tagesordnung wie in der Humanmedizin. Der Fachbegriff für Narkose ist Allgemeinanästhesie und beschreibt einen Zustand der vollkommenen Bewusstlosigkeit und Muskelentspannung. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass der Tierarzt eine Operation oder bestimmte diagnostische Maßnahmen durchführen kann oder bei sehr aggressiven Tieren überhaupt eine Untersuchung möglich ist.

Zu einer Narkose gehört außerdem die Überwachung und korrekte Interpretation wichtiger Parameter, die eine Aussage über den Kreislaufzustand des Tieres während der Narkose geben. Dazu gehören zum Beispiel Herzfrequenz, Atmung und Puls. Diese Narkose überwachung nennt man Monitoring und sie ist mindestens so wichtig wie die Narkose selbst. Nur mit einem guten Monitoring lassen sich etwaige Probleme in der Narkose früh erkennen und gegensteuern, um einen sicheren Schlaf und ein sicheres Aufwachen zu gewährleisten. Je nach Ausbildung, Wissen, Ausrüstung und personeller Ausstattung der Praxis gibt es bei Narkosen sehr große Unterschiede.

Formen der Narkose

Prinzipiell unterscheidet man zwischen Injektionsnarkosen und Inhalationsnarkosen. Beide haben Vor- und Nachteile. Bei der Injektionsnarkose bekommt der Hund einmalig in die Vene oder den Muskel ein Narkosemedikament injiziert und schläft für eine gewisse Zeit. Bei Inhalationsnarkosen bekommt der Hund ein Narkosemedikament, das kurz wirkt und ihn einschlafen lässt. Anschließend wird er intubiert. Ein gasförmiges Mittel hält ihn in Narkose. Das hat den Vorteil, dass der Tierarzt das Nar kosegas ganz individuell an die Tiefe der Narkose anpassen kann. Am Ende der Operation wird das Gas abgedreht und der Hund erwacht relativ schnell wieder. So lässt sich vermeiden, dass der Vierbeiner nach dem Eingriff noch lange nachschläft. Daher eignet sich diese Form der Narkose vor allem für alte Hunde und Risikopatienten gut.

Bei jeder Narkose sinkt der Blutdruck des Hundes. Das geschieht je nach Wahl und Kombination der Narkosemedikamente stärker oder weniger stark. Bei zu niedrigem Blutdruck gelangt nicht mehr ausreichend Blut in die Organe, was diese schädigen kann. Sehr sensibel auf niedrigen Blutdruck reagieren die Nieren, das Gehirn und der Herzmuskel. Daher ist es wichtig, den Blutdruck zu messen und ihn durch Infusionen oder blutdrucksteigernde Medikamente über einem Mindestwert zu halten.

Problemfaktor Alter?

Plagen einen älteren Hund gesundheitliche Probleme, zum Beispiel starker Zahnstein oder ein Tumor, können diese seine Lebensqualität deutlich einschränken. Zudem werden sie mit der Zeit nur schlimmer. Um dem Hund zu helfen, kann eine Narkose notwendig werden. Viele Halter haben Angst, dass ihre alten Vierbeiner aus der Narkose dann nicht mehr aufwachen oder Folgeprobleme entstehen. Doch Alter ist keine Krankheit und spricht nicht automatisch gegen eine Narkose. Ist der Vierbeiner ansonsten gesund oder hat er nur gut beherrschbare Alterserscheinungen, stellt das Alter keinesfalls einen Grund dafür dar, ihn nicht in Narkose zu legen.

Mit sorgfältigen Voruntersuchungen, einer auf alte Patienten abgestimmten Inhalationsnarkose und einer sehr gründlichen Überwachung, lässt sich das Risiko in den meisten Fällen beherrschen. Halter alter Hunde müssen eventuell damit rechnen, dass die Kosten für eine Narkose etwas höher ausfallen, da mehr Aufwand vor und während einer Narkose nötig ist, um größtmögliche Narkose sicherheit zu haben.

Rassespezifische Bedürfnisse

In den Tierarztpraxen wird eine Vielfalt an Hunderassen behandelt. Bei Narkosen müssen die Teams tatsächlich einige rassespezifische Besonderheiten beachten. Einige Rassen, wie zum Beispiel die Collieartigen, können an einem Gendefekt leiden. Einige Medikamente, zu denen auch manche Narkosemedikamente gehören, sollten daher vermieden werden.

Windhundartige Rassen haben wenig Körperfett und dafür viel Muskulatur. Ihre Körper verstoffwechseln unter Umständen an Fett gebundene Narkosemedikamente langsamer. Sehr junge Hunde sowie sehr kleine Hunderassen, etwa Chihuahuas oder Yorkshire Terrier, kühlen schneller aus als große oder ältere Tiere. Sie brauchen daher effektive Wärmemaßnahmen, bis sie wieder ganz wach sind. Kurznasige Rassen wie Mops und Bulldogge sollten aufgrund ihrer verengten Atemwege immer intubiert werden. Am besten bekommen sie vor der Narkoseeinleitung Sauerstoff und werden intensiv beim Aufwachen überwacht. All das bedeutet nicht, dass diese Rassen nicht in Narkose gelegt werden können. Doch die rassespezifischen Besonderheiten müssen beachtet werden, um unnötige Risiken zu vermeiden.

Vor der Narkose

Damit der Hund sich nicht übergibt, während die Narkose eingeleitet wird und dann das Erbrochene womöglich einatmet, ist es wichtig, dass er mindestens 12 Stunden vor der Narkose nichts zu fressen bekommt. Im Gegensatz zum Menschen dürfen Hunde allerdings Wasser trinken. Da sich alle Muskeln in der Narkose entspannen, ist es von Vorteil, wenn der Hund vor der Narkose noch einmal Kot und Urin abgesetzt hat. Das ist aber nicht zwingend erforderlich.

Viele Hunde haben ein sehr enges Verhältnis zu Ihrem Halter und spüren, wenn dieser aufgeregt ist. Diese Nervosität kann sich auf den Patienten übertragen. Daher ist eine ruhige Atmosphäre wichtig.

Die Aufwachphase

So wie beim Fliegen der Start und die Landung die komplikationsträchtigsten Phasen sind, sind es bei der Narkose das Einschlafen und Aufwachen. Das liegt daran, dass die Überwachungsgeräte noch nicht an- oder schon abgeschaltet werden. Dazu kommt, dass auch das Temperaturregulierungszentrum im Gehirn „in Narkose“ geht. Der Hund kann daher seine Körpertemperatur nicht mehr selbst aufrechterhalten und kühlt aus. Daher ist es wichtig, während des Aufwachens Parameter wie Herzfrequenz, Atmung, Puls und Temperatur regelmäßig zu kontrollieren und den Vierbeiner wenn nötig zu wärmen. Das ist in einem fahrenden Auto oder zu Hause nicht zuverlässig möglich. Sollte es im Auto zu einem Zwischenfall kommen, kann der Fahrer nicht eingreifen. Es dient also der Sicherheit des Hundes, kontrolliert und gut überwacht unter der Aufsicht des Praxispersonals in der Praxis aufzuwachen. Der Tierarzt, der die Narkose durchgeführt hat, ist für seinen Patienten verantwortlich, bis dieser wieder ganz wach ist.

Viele Halter möchten dabei sein, wenn ihr Hund aufwacht. Das ist nachvollziehbar, sollte aber immer in der Praxis unter Aufsicht stattfinden. Man sollte sich dann darüber bewusst sein, das manche Hunde je nach Narkose und Typ auch mal unruhig oder jammernd aufwachen können. Das ist aber kein Grund zur Sorge. Der anwesende Tierarzt kann die Situation einschätzen.

Nach der Narkose

Während einer Narkose entspannen auch die Muskeln des Schlunds, der Speiseröhre und des Magens. Daher ist es wichtig, eine gewisse Pause nach der Narkose einzuhalten, während der es nichts zu fressen gibt. Wann ein Hund nach der Narkose wieder Futter bekommen darf, entscheidet der Tierarzt. Da Hunde vor jeder Narkose fasten müssen, haben die meisten danach Hunger. Sie würden ihre Ration herunterschlingen und unter Umständen anschließend erbrechen. Deshalb empfiehlt es sich, nach einer Narkose erst einmal eine kleine Portion Futter anzubieten. Verträgt der Hund diese gut, kann er später eine weitere bekommen. Wichtig ist auch, dass der Hund sich zuhause an einen warmen und ruhigen Platz zurückziehen kann, an dem ihn andere Haustiere und kleine Kinder nicht stören. Er sollte an diesem Tag noch mindestens zwei Mal zum Urin absetzen kurz nach draußen geführt werden.

NEUN ZEICHEN, AN DENEN SIE GUTES NARKOSEMANAGEMENT ERKENNEN

  • Ausführliche mündliche oder schriftliche Aufklärung über das Narkoserisiko
  • Gründliche allgemeine klinische Untersuchung vor jeder Narkose
  • Individuelle Narkose für jeden einzelnen Patienten
  • Je nach Alter, Rasse oder Erkrankung bzw. geplantem Eingriff vorherige Laboruntersuchungen, Röntgenuntersuchungen oder anderes
  • Es wird ein Narkoseprotokoll geführt
  • Überwachungsgeräte kommen zum Einsatz (z. B. intraoperative Blutdruckmessung, Sauerstoffmessung im Blut, EKG, CO2-Messung in der Atemluft, Temperaturmessung)
  • Wärmemaßnahmen und Infusion während der Narkose
  • Räumliche Voraussetzung für ein ruhiges Einschlafen und Aufwachen
  • Ein fitter, gut orientierter, schmerzfreier Hund wenige Stunden nach Ende der Narkose
Injektionsnarkose Inhalationsnarkose
Vorteile:

Preiswerter

Weniger Geräte nötig

Für junge und gesunde Tiere geeignet

Nachteile:

Schlechter steuerbar

Schlechter zu überwachen

Ungeeignet für lange Eingriffe

Ungeeignet für Risikopatienten

Vorteile:

Gut steuerbar

Gut zu überwachen

Geeignet für lange Operationen

Geeignet für Risikopatienten

Nachteile:

Teurer

Narkosegerät und Sauerstoff nötig

Dieser Artikel ist erschienen bei der Zeitschrift „Der Hund“.